Paartherapie & Paarsynthese

Barbara Röser

Diplom-Sozialpädagogin Heilpraktikerin für Psychotherapie Lehr-Paartherapeutin

Rezensionen

 

Paartherapie und Paarsynthese

Lernmodell Liebe

von Walter Pöldinger:

Ein aus zwei Gründen erfrischend neues Buch in einer Reihe ähnlicher Publikationen. Zum einen ist das Buch nicht in den Rahmen der üblichen psychotherapeutischen Schulen gestellt, sondern versucht einen methoden- und schulübergreifenden Ansatz. Zum anderen wird dem Phänomen Liebe der nötige Rahmen eingeräumt, denn in vielen paartherapeutischen und sexualmedizinischen Büchern kommt dieses Wort kaum noch vor. Das hat in der Regel eine Funktionalisierung zur Folge, die – etwa auf die Geriatrie angewendet – zu einer so unschönen Terminologie wie ,,Entsorgungsmedizin” führen würde Daher wird auch in richtiger Weise von einem ,,Lernmodell Liebe” gesprochen. Der Umgang mit diesem Phänomen Liebe ist in vieler Hinsicht problematisch und muß deshalb in einen Lernprozeß einbezogen werden.

Schließlich ist die sogenannte Paarsynthese ein sehr brauchbarer und fruchtbarer Begriff, weil bei einer derartigen Therapie zunächst eine Paarkonfrontation angestrebt werden muß, um die eigentlichen Konflikte aufzuzeigen und anzusprechen. Wichtig erscheint mir auch, daß über den biopsychosozialen Ansatz nach G.L. Engel hinausgegangen wird, und auch die spirituellen Aspekte angesprochen werden – sei es im eher philosophischen oder religiösen Bereich. Die Ausweitung auf fernöstliche Aspekte zeigt sich besonders bei der Gegenüberstellung von Frau und Mann als sehr förderlich, weil ja im Gegensatzpaar Yin und Yang keine scharfe Trennung erfolgt, sondern es komplementär sichtbar wird, daß in jeder Frau ein Stück Mann und in jedem Mann auch ein Stück Frau vorhanden ist, was den synthetischen Ansatz erleichtert. Bei dieser Paarsynthese kommen dann verschiedene Modelle in diagnostischer und therapeutischer Hinsicht zum Tragen. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß das vorliegende Buch durch das ganzheitliche Anliegen des Autors und dessen Erfahrungen in diesem Rahmen sehr gewinnt.

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von Reinhold Schmitz-Schretzmair:

Endlich wieder einmal ein grundlegendes, umfassendes, und beachtenswertes Buch über die Liebe und im Speziellen über Paartherapie. Anders als in den meisten der vielen Liebesbücher in letzter Zeit (etwa nach dem Muster: Warum lassen Männer anders lieben als Frauen?……oder so ähnlich) werden in Michael Cöllens Buch sorgfältig erarbeitete empirische und theoretische Grundlagen vorgestellt. Der im personenzentrierten Lager nicht unbekannte Adler hat mit seinen MitarbeiterInnen in 20jähriger Paartherapiepraxis mit begleitender Forschung am Thema gearbeitet.

Daß der frühere kirchliche Arbeitgeber der Beratungsstelle nach ersten Zwischenveröffentlichungen die gesamte Stelle auflöste, macht betroffen und neugierig zugleich. Immerhin verlangt eine konsequente Umsetzung der Inhalte des Lernmodells Liebe solch weitreichende Veränderungen wie gleichmäßige Vertretung von Frauen und Männern in Politik, Wirtschaft, Kirche etc. Der Wegfall des Zölibats wäre dabei nur eine der weitergehenden Folgen.

Wer jetzt schon neugierig genug auf das Buch geworden ist, findet dort:

Ein erstes Kapitel zur Theorie der Liebe. Hier sind u.a. sozialpsychologische, tiefenpsychologische und intersubjektive Ansätze zum Liebesverständnis referiert. Besonders hervorzuheben sind m.E. häufig vernachlässigte spirituelle Ansätze zum Liebesverständnis. Taoismus und Tantrismus, alte ganzheitliche Lehren von Liebe, Lust, Religion, und Alltag finden angemessene Berücksichtigung.

Auch noch unter der Überschrift der Theorie der Liebe abgehandelt sind die Untersuchungsergebnisse zur Paarsynthese. Theorie und Praxis ergänzen sich wechselseitig. Das herausgearbeitete mehrdimensionale Paarmodell, Paarzyklen, Paardialoge, Partnerstile und Therapieprozeß sind sehr strukturiert dargestellt und im Anhang durch Graphiken gut veranschaulicht.

Das zweite Kapitel behandelt die Dyadische Anthropologie. Hier wird die Dyade und nicht mehr die Einzelperson als Kernstück menschlicher Entwicklung beschrieben. Wie im dritten Kapitel, Psychologie der Liebe, Psychologie des Paares finden sich sorgfältige und umfangreiche Abhandlungen, historische Herleitungen der Konzepte und verständliche Darstellungen der Schlußfolgerungen.

An vielen Stellen des Buches findet sich ein großer Übereinstimmungsrad mit dem personenzentrierten Konzept. Lernmodell Liebe und Paarsynthese sind generelle und therapieübergreifende Konzepte. Ihre Anwendung und Wirkung ist auch für Politik, Pädagogik und andere Bereiche bedeutend. Paartherapie ist nur eines von vielen Anwendungsfeldern.

Den therapeutischen Rahmen der Paarsynthese beschreibt das vierte Kapitel. Hier sind die grundlegenden therapeutischen Beziehungsmodelle verschiedender Therapieschulen aufgeführt und im Sinne einer Synthese für das Gesamtmodell auf ihre Nützlichkeit hin befragt. Paarsynthese will ganz explizit nicht “eklektizistisch” Elemente verschiedener Schulen in eine neue Richtung integrieren. Alle Phänomene, weibliche wie männliche Potentiale, westliche wie östliche Philosophien. ebenso wie die Grundlagen verschiedenster therapeutischer Schulen stehen nebeneinander. Zum therapeutischen Rahmen werden auch Fragen der Indikation, der Diagnostik, der Prognose und des Settings erarbeitet. Ein Therapeutenpaar wird für Paartherapie als ideal empfohlen. Wie wahr’

Im fünften und letzten Kapitel wird die Paarsynthese als therapeutisches Konzept konkret dargestellt. Der Therapieprozeß verläuft in fünf Zyklen, welche sowohl die Geschichte der Partner als auch ihre Gegenwartssituation und auch ihre Zukunftsgestaltung einbeziehen. Zu jedem Therapiezyklus wird eine Liste von Methoden angeführt, die jedoch leider nur stichpunktartig ausfallen konnten. Hier handelt es sich eher um Anregungen; Kenntnis der Methoden wird beim Leser vorausgesetzt.

Die Fähigkeit zu lieben kann und muß gelernt werden., – sie darf nicht dem Zufall überlassen werden. Neben geschichtlichen und dialogischen Formen bedarf es dazu auch der Berücksichtigung von spirituellen Seinsformen. Vor allem die Sexualität benötigt eine Erlösung aus ihrer häufig vorkommenden Reduzierung auf Genitalität. Ihre Verbundenheit mit einer Sinnlichkeit für Haut, Natur, Gesundheit, Religiosität findet sich in einigen orientalischen und asiatischen Kulturen vorbildlich. Anstelle einer überheblichen Abwertung etwa von Tao und Tantra als “esoterisch” können westliche Kulturen viel von den hier vorhandenen androgynen Grundhaltungen lernen.

Kritisch am vorgestellten Paartherapie – Konzept finde ich die resultierende Dauer. Ohne daß es dazu im Text eine konkrete Angabe gibt, läßt sich eine so durchgeführte Therapie wohl nicht unter 50 bis 100 Stunden durchführen. Wenn dies auch noch vermittels eines Therapeutenpaares geschieht, stellt sich die Frage der Finanzierbarkeit. Dies soll jedoch nicht die wertvolle Grundlagenarbeit schmälern. Es verweist eher auf notwendige Ergänzungen, etwa in Form von kurzfristigen, eher lösungsorientierten Paarberatungen bei Berücksichtigung der Gesamtkomplexität.

Wie sieht es mit der Kompatibilität des hier vorgestellten Ansatzes mit dem Personenzentrierten Konzept aus? Methodenpluralismus in Zeiten härtester Verteilungskämpfe fordert sicherlich zu reichlich Widerspruch auf. Bleibt zu hoffen, daß sich das Personenzentrierte Konzept trotz (noch?) vorhandener “äußerer” Abgrenzungsnotwendigkeiten durch Akzeptanz und Aktualisierungsenergie ständig weiter entwickelt.

An vielen Stellen scheinen mir Begriffe nahezu austauschbar mit dem Vokabular des Personenzentrierten Ansatzes. Eine Zusammenfassung des Buches lautet: “Liebe ist der Sinn, Dialog der Weg, Würde das Prinzip”. So ist es!

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von Maria-Lydia Hörtnagl:

Michael CöIlen stellt in seinem fast 300 Seiten umfassenden Buch ein schulenübergreifendes Therapiekonzept im engeren und eine Liebes- und Beziehungslehre im weiteren Sinn vor: Die Paarsynthese wurde in den 80er Jahren als therapeutische Behandlung von Paaren entwickelt. Sie versteht sich dabei nicht als neue Therapierichtung, sondern als ein Zusammenspiel vorhandener therapeutischer Methoden.

Cöllen geht jedoch in seinem Anspruch noch viel weiter. Er sieht in der Paarsynthese ein Lösungsangebot für mitmenschliche Sozialisierung in ihren emotionalen, politischen und wirtschaftlichen Lebensformen.

Was kann ich mir als Leserin von diesem Buch erwarten?

Bereits ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis macht neugierig und verwirrt zugleich. Neugierig macht zu recht die theoretische Einbettung der Paarsynthese in Beziehungstheorien verschiedener Kulturen und Zeiten. Östliche Philosophien (Tao, Tantra) stehen ebenso Pate wie westliche Denker (Binswanger; Lemaire) und Sozial- und Naturwissenschaften. Die sehr dichte und komprimierte Darstellung von theoretischen Ansätzen, von Therapieschulen und daraus entwickelten Therapiekriterien veranschaulicht den Anspruch auf Ganzheitlichkeit. Sie verlangt mir als Leserln jedoch einiges an Vorwissen und Kenntnis der jeweiligen Begrifflichkeiten ab und wirkt in ihrer Komplexität teilweise auch verwirrend.

So bleibt neben dem hohen Informationsgehalt um die Themen Liebe, Paarbeziehung und Paartherapie sowie der angenehm moralfreien Betrachtungsweise immer wieder ein ,,Ja, aber..“ als Gesamteindruck zurück.

Vor allem die Hinweise auf Politik und Gesellschaft sind mir oft zu unkonkret und bleiben somit fragmentarische Ansprüche. Das intime Zusammenwirken zweier emanzipierter Persönlichkeiten in Gleichberechtigung und Ganzheit als Lebenskonzept und Ziel der Paarsynthese erscheint mir einleuchtend. Mit diesem Konzept jedoch die katastrophalen Auswirkungen (Unterdrückung, Ausbeutung, Weltzerstörung,…) einer kapitalistisch und patriarchal geprägten Gesellschaft lösen zu können, finde ich schlichtweg illusorisch.

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